Die Kiezteam-Struktur von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« – vom erfolgreichen Volksentscheid bis zur Selbstorganisierung
Konstantin Sergiou
Der vorliegende Artikel ergänzt ein Interview der Sammel-AG von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« (DWE) vom Februar 2022, das in der Común #6 erschienen ist. Thema des Interviews war die Praxis der AG von etwa Anfang 2020, vor der zweiten Sammelphase der Kampagne, bis Anfang 2022, nach dem erfolgreichen Volksentscheid. Sie bestand darin, bezirklich bzw. nachbarschaftlich verortete Gruppen im gesamten Stadtgebiet aufzubauen, in denen sich Freiwillige zur Sammlung von Unterschriften zusammenschließen und koordinieren konnten, und sie bei ihrer Selbstorganisierung zu unterstützen. Hier geht es nun darum, Rolle und Entwicklung der Kiezteams und des Kiezteam-Rats im Verlauf der (zweiten) Sammel- sowie der Wahlkampfphase der Kampagne nachzuzeichnen. Dabei sollen der Zusammenhang dieser Kiezteam-Struktur mit den AGs von DWE und die dabei entstandenen Organisations- und Praxisformate sichtbar gemacht werden.
Die Sammelphase
Die zweite Sammelphase auf dem Weg zum Enteignungsvolksentscheid begann am 26. Februar 2021 und dauerte vier Monate. In diesem Zeitraum sowie in der anschließenden dreimonatigen Wahlkampfphase entwickelte sich aus der Kampagnenarbeit heraus die grundlegende Gestalt von DWE als zusammenhängende Doppelstruktur von Arbeitsgruppen (AGs) und Kiezteams (KT), die bis heute fortbesteht. Im Kontext des Volksentscheids sind die KT als „ausführende Organe“ der Unterschriftensammlung in ihrem jeweiligen Stadtgebiet zu betrachten. Sie waren und sind die Basisgruppen von DWE, die im städtischen Raum operieren. Die AGs hingegen arbeiten anders und in einem anderen Bereich: In ihnen werden Konzepte und Strategien entwickelt, die sich auf die jeweiligen Kampagnenziele bzw. Kampagnenfunktionen beziehen. Sie können als „Konzept- und Funktionsgruppen“ aufgefasst werden, die im Inneren von DWE verbleiben und in ihrem Arbeitsalltag kaum bis gar keinen direkten Kontakt mit der Stadtgesellschaft haben. Einige der AGs, wie die Sammel-AG und die AG Starthilfe, die hier neben der Aktions-AG Erwähnung finden, interagieren jedoch regelmäßig mit den KT. Diese Interaktion gestaltete sich im Verlauf der Volksentscheid-Kampagne äußerst vielfältig und produktiv.
„DER SAMMELRAT WAR ALS PARALLELSTRUKTUR ZUM GESAMTPLENUM KONZIPIERT: NICHT NUR ZENTRALES KOORDINIERUNGSTREFFEN DER KIEZTEAMS, SONDERN AUCH ORT DER REFLEXION UND POLITISCHEN DEBATTE.“
So wurde zum Beispiel von der Aktions-AG im Vorfeld der Sammelphase ein Covid-Hygiene-Konzept erarbeitet, welches die KT für die Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln während ihrer Sammelaktionen sensibilisieren sollte. Die AG kümmerte sich auch um das Kampagnenmaterial wie Plakate, Flyer, Sticker, Fahnen, Klemmbretter, Kugelschreiber und Westen. Die Sammel-AG befasste sich derweil mit der nötigen strukturellen Einrichtung der KT: Sie schlug zum Beispiel die Kontaktaufnahme zu sogenannten „solidarischen Orten“ in den Nachbarschaften vor, die sich bereit erklärten, selbst Unterschriftenlisten auszulegen, und lieferte zum Sammeln nötiges Know-how in Form von Leitfäden und Workshops. Der Austausch zwischen KT und AGs fand aber nicht nur in eine Richtung – von den AGs hin zu den KT – statt. Abfragen, Umfragen und Aufrufe zur Rückmeldung und Beteiligung waren von Anfang an Teil der Kommunikation zwischen AGs und KT. Die Aktions-AG arbeitete zum Beispiel an der Materialausgabe auf Grundlage der ihr mitgeteilten Bedarfe der KT, und die Sammel-AG erstellte den Leitfaden zu den solidarischen Orten nicht nur aus eigenen Überlegungen heraus, sondern ließ darin auch die Ortskenntnis, die Ideen und Erfahrungen der KT-Aktiven einfließen, die auf gemeinsamen Treffen diskutiert wurden. Diese fanden im Rahmen des Sammelrats statt, in dem sich KT und AGs austauschten. Erstere wurden nach und nach an die Mitarbeit in diesem Gremium herangeführt, indem beispielsweise die Protokollerstellung unter ihnen rotierte und sie zur Mitwirkung an Vorbereitung und Moderation eingeladen wurden. Der Sammelrat war explizit als Parallelstruktur zum Gesamtplenum konzipiert: nicht nur zentrales Koordinierungstreffen aller Aktivitäten der KT rund um das Unterschriftensammeln, sondern auch Ort der Reflexion und politischen Debatte.
Im Verlauf der äußerst intensiven Zeit der Sammel- und Wahlkampfphasen entwickelten sich so nicht nur die für DWE typischen Kampagnenpraktiken, sondern auch Kommunikationsmodi und Organisationsstrukturen, die ein konstruktives und machtvolles Miteinander und „Ineinander“ von AGs und KT bis heute ermöglichen.
„AN DEN SUPER-SAMMEL-SAMSTAGEN WURDEN NICHT NUR UNTERSCHRIFTEN, SONDERN AUCH KONTAKTDATEN DER MENSCHEN, DIE UNTERSCHRIEBEN, GESAMMELT: VOR DEM NÄCHSTEN AKTIONSTAG WURDEN DIE MENSCHEN DANN ANGERUFEN ODER ANGESCHRIEBEN UND ZUM MITMACHEN MOBILISIERT.“
Die Praxis der großen, stadtweiten Plakatieraktionen, die mittlerweile zum Standardrepertoire von DWE gehören, wurde auf einem Treffen des Sammelrats von den KT in der Diskussion mit der Sammel- und der Aktions-AG beschlossen, nachdem eine Ideensammlung vorangegangen war. Ebenfalls im Sammelrat wurden die für die „Choreographie“ der Sammelphase wichtigen festen Termine für koordinierte Aktionen zum Unterschriftensammeln an den Wochenenden („Super-Sammel-Samstage“) besprochen. Bei diesen wurden nicht nur Unterschriften, sondern auch die Kontaktdaten der Menschen, die unterschrieben, gesammelt. DWE setzte dafür extra einen Datenschutzbeauftragten ein, der für die Erstellung datenschutzkonformer Kontaktbögen sorgte. Ein bis zwei Wochen vor dem jeweils nächsten Aktionstag wurden die Menschen dann von den KT angerufen oder angeschrieben und zum Mitmachen mobilisiert. Für die Zeit bis zur Aktion boten die AGs Schulungen zum Sammeln von Unterschriften und Argumentationstrainings an. Bei der Aktion selbst begann dieser Prozess wieder von vorne. So schaffte es DWE nicht nur genügend Unterschriften für die Zulassung der Abstimmung zum Volksentscheid zu sammeln, sondern ebenso, die eigene Aktiven- und Unterstützer:innenbasis zu vergrößern. Die Aufgabe der KT war es Unterschriften zu sammeln – wie, das konnten sie selbst bestimmen. Das KT Neukölln nutzte den Beginn der Sammelphase, um mit einem sogenannten „Strukturtest“ aus dem gewerkschaftlichen Organizing die eigene Reichweite zur Aktivierung und Einbindung von Supporter:innen zu erproben; das KT Friedrichshain arbeitete mit Einsatzkarten für Sammler:innen und das KT Tempelhof-Schöneberg erstellte Wochenpläne für die Eintragung von Sammelaktionen. Die KT begannen auch selbst Aktionsformate zu entwickeln. So erarbeitete das KT Friedrichshain kurz vor Beginn der Sammelphase das Schema für eine Info-Veranstaltung, welches es den anderen KT als gemeinsame Ressource zur Verfügung stellte. Die relative Autonomie der KT und deren Berücksichtigung durch die AGs spielten insbesondere eine wichtige Rolle dabei, wie DWE Problemen begegnete, die während der Kampagne auftraten. Gegen Mitte der Sammelphase wurden die KT zum Beispiel mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass ein fester Kern an Aktiven, der nicht mehr weiter wuchs, immer mehr Aufgaben übernehmen musste. Die Sammel-AG richtete im Sammelrat die Aufmerksamkeit auf dieses Problem sowie auf die verschiedenen Bewältigungsstrategien der KT. So teilten sich vielerorts die digitalen Strukturen in Chats für Kernaktive einerseits und in solche für periphere Unterstützer:innen andererseits. Das machte es möglich Letztere von der hochfrequenten Organisationskommunikation abzuschirmen und zugleich gezielt für niedrigschwellige Aktionen anzusprechen. Mancherorts wurden auf den Treffen Check-in-Runden eingeführt, in denen die Befindlichkeiten der Aktiven mehr Raum bekamen, und sogenannte „Buddy-Systeme“ diskutiert, im Rahmen derer aktivere KT-Mitglieder als direkte Ansprechpartner:innen für neue oder weniger aktive dienen sollten. Das soziale Miteinander in den KT kam als stärkender Faktor hinzu: Aktive berichteten wiederholt, dass es den Zusammenhalt und die Motivation fördert, sich nach dem Sammeln oder gänzlich abseits davon regelmäßig zu treffen, um gemeinsam abzuhängen.
„ENDE JUNI 2021 WECHSELTE DWE IN DEN WAHLKAMPFMODUS. GESPRÄCHE MIT DEN WAHLBERECHTIGTEN RÜCKTEN IN DEN MITTELPUNKT, UM SIE VON EINEM JA AM WAHLTERMIN ZU ÜBERZEUGEN.“
Über ihren gesamten Verlauf blieb die Kampagne durch die KT leicht ansprechbar und zugänglich und konnte sich ihre Authentizität, ihre „soziale Wärme“ und ihre Orientierung auf die direkte Begegnung mit den Menschen in den Nachbarschaften bewahren. Genauso wichtig aber war das behutsame Agieren der AGs, die darauf achteten, die Selbstwirksamkeit der KT nicht durch starre Top-down-Vorgaben abzuwürgen. Insbesondere die Sammel-AG behielt das Ziel des erfolgreichen Volksentscheids stets im Blick und erstellte und korrigierte den Sammelplan, um die sich entfaltenden Aktivitäten an der Basis darin zusammenzufassen und übersichtlich zu halten.
Der Volksentscheid
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Sammelphase Ende Juni 2021 wechselte DWE in den Wahlkampfmodus. Die bisherigen Praktiken der KT beinhalteten bis dahin in hohem Maße das Gewinnen von Unterschriften. Nun verloren diese Praktiken ihren materiellen Bezugspunkt – die Liste – und die Aussicht auf das unmittelbare, konkrete Ergebnis einer Unterschrift darauf. Stattdessen rückten Gespräche mit den Wahlberechtigten an sich in den Mittelpunkt, um sie von einem Ja am Wahltermin zu überzeugen (daher auch die Bezeichnung des Wahlkampfs als „Ja-Kampf“). Die KT hatten bereits in der Sammelphase unter Anleitung der AG Starthilfe erste Erfahrungen mit Haustürgesprächen gemacht. Diese sowie der Straßenwahlkampf ersetzten nun zwar das Unterschriftensammeln, aber diese Praxis folgte demselben Muster: Aktive und Unterstützer:innen wurden für die Einsatztermine mobilisiert und in Workshops vorbereitet. Bei den Wahlkampfgesprächen selbst bemühten sie sich auch um die Aktivierung der Menschen, mit denen sie sprachen. Auf den Treffen der KT sowie auf den Plena des mittlerweile in Kiezteam-Rat (KTR) umbenannten Sammelrats fand schließlich die Auswertung der Einsätze statt, die, wo nötig, verändert wurden, um auf die Begebenheiten vor Ort zu reagieren. Die AG Starthilfe arbeitete dabei, genau wie die Sammel-AG, mit den Erfahrungen aus den KT. Der KTR spielte für den Austausch der KT während des Wahlkampfs eine sehr wichtige Rolle. Darin besprachen sie u.a. das Ungleichgewicht hinsichtlich der Stärke der KT in Innen- und Ausßenbezirken. Um dem zu begegnen, wurde der Support von Außenbezirks-KT durch solche aus der Innenstadt, der bereits in der Sammelphase begonnen hatte, fortgesetzt und verstetigt. Er reichte vom regelmäßigen Austausch bis hin zu festen Partner:innenschaften unter den KT. Zu Beginn der Wahlkampfphase fusionierten einige KT sogar. Allerdings erwiesen sich auch zwei Probleme, die in der Sammelphase aufgetreten waren, als hartnäckig: Wie wird eine Kontinuität des Engagements von KT-Aktiven gewährleistet? Wie wird das KT stabil gehalten, und wie wächst es? Zu verschiedenen Zeitpunkten der Kampagne haben verschiedene KT je andere Lösungen für diese Probleme gefunden, aber immer spielten die direkte Ansprache, niedrigschwellige Aktionsangebote, die gezielte Einbindung Neuer in die Orga-Arbeit und die Existenz informeller Begegnungsräume eine wichtige Rolle. „Basisnähe“ war und ist die Spezialität der KT.
„DIE SAMMEL-AG UND DIE AG STARTHILFE BEMÜHTEN SICH, DIE KAMPAGNENBASIS AUF DAS ZIEL DER ERFOLGREICHEN ABSTIMMUNG AUSGERICHTET ZU HALTEN. PARALLEL DAZU REFLEKTIERTEN UND OPTIMIERTEN SIE ZUSAMMEN MIT DEN KT DIE PRAKTIKEN DER KOMMUNIKATION MIT DEN BERLINER:INNEN UND TRIEBEN DEN STRUKTURAUFBAU VORAN.“
Die Wahlkampfphase im August 2021 war die bisher intensivste Phase der Kampagne. Sie war gekennzeichnet durch ein enormes Aktivitätsausmaß auf allen Ebenen. DWE lancierte eine Wahlkampfzeitung, welche durch die KT berlinweit in Briefkästen gesteckt und an Infoständen verteilt wurde. Im KTR wurden Wahlkampfaktionen in Genossenschaftssiedlungen besprochen und koordiniert, um einer Fake-News-Kampagne von Enteignungsgegner:innen zu begegnen. Selbst an Schulen absolvierten KT-Aktive Wahlkampfveranstaltungen. Die Sammel-AG und die AG Starthilfe bemühten sich derweil, die Kampagnenbasis auf das Ziel der erfolgreichen Abstimmung ausgerichtet zu halten. Parallel dazu reflektierten und optimierten sie zusammen mit den KT die Praktiken der Kommunikation mit den Berliner:innen und trieben den Strukturaufbau voran, indem sie die KT bei ihrer Reproduktion unterstützten. Die eingespielten Kommunikations- und Kooperationsverfahren zwischen den zwei Kampagnenbereichen sowie die gegenseitige Unterstützung der KT und das Teilen ihrer Ressourcen über den KTR trugen die Kampagne schließlich durch den Endspurt. Am 26. September 2021 stimmten 59,1 Prozent der Wahlberechtigten in Berlin, insgesamt über 1 Million Menschen, für die Enteignung und Vergesellschaftung der großen Immobilienkonzerne.
Nach dem Erfolg: Druck auf die Koalitionsverhandlungen und Begleitung der Expert:innenkommission
Nach dem 26. September hatte sich die Kampagne an eine neue Lage anzupassen. Die Abstimmung hatte zeitgleich mit der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus stattgefunden und als Beschlussvolksentscheid den Ball ins Feld der Politik gespielt. DWE musste in den Wintermonaten 2021/22 also mit Lobbyarbeit bei den Parteien und parallelem Druck von der Straße die Forderung nach einer Umsetzung des Votums in den Koalitionsgesprächen präsent halten und diese dafür möglichst günstig beeinflussen. Die KT übten zu diesem Zweck über Kundgebungen an den Orten der Koalitionsverhandlungen und Parteitage Druck auf die verhandelnden Parteien aus. Sie wechselten damit von einer tragenden zu einer begleitenden Rolle, da der Lobbyismus in dieser Phase den Vorzug hatte. Die „eingeübten“ Organisations- und Praxisformate (zum Beispiel die spezifische Plenums- und Chatgruppen-Kultur, das Plakatieren, die Info-Veranstaltungen, Straßenaktionen und Haustürgespräche) konnten – aus ihrem ursprünglichen Rahmen einer Volksentscheid-Kampagne herausgelöst – aufrechterhalten und in den Dienst dieser neuen Aufgabe gestellt werden. Auch die Regelmäßigkeit der Treffen des KTR trug zur Stabilität der Kampagnenbasis in diesem kritischen Moment bei, wenn auch nun die Diskussion um seine zukünftige Ausrichtung und um den Modus der Treffen begann. Dass die KT weiterbestehen sollten und der im Volksentscheid begonnene Strukturaufbau weitergehen sollte, beschlossen die KT-Delegierten auf einem Treffen des KTR im Oktober 2021. Die KT waren nun, in Abwesenheit einer „formgebenden“ Kampagne mit einem konkreten Ziel, mehr als zuvor aufgerufen, selbst für ihren Zusammenhalt und die Aufrechterhaltung ihrer Aktivitäten zu sorgen. Dabei fuhren sie damit fort, an der Basis der Berliner Stadtgesellschaft zu wirken, vernetzten sich aber auch verstärkt mit anderen stadtpolitischen Gruppen.
„IM VERLAUF EINES JAHRES, BIS ZUM ERSCHEINEN DER EXPERT:INNENKOMMISSION, ÜBERNAHM JEDES KIEZTEAM JE EINEN MONAT DIE DURCHFÜHRUNG EINER AKTION IN SEINEM BEZIRK, BEI DER AKTUELLE STADTPOLITISCHE KÄMPFE NACH DER FORDERUNG NACH VERGESELLSCHAFTUNG VERKNÜPFT WERDEN SOLLTEN.“
Im Frühjahr 2022 beschloss das Gesamtplenum die Teilnahme an einer Expert:innenkommission, die von der neugewählten Regierung zur erneuten Prüfung der Enteignungsforderung eingesetzt wurde. Die kritische Begleitung dieses Gremiums, das in Wirklichkeit die Umsetzung des Volksentscheids hinauszögern sollte, wurde flankiert von Aktionen und Veranstaltungen der KT, welche die Erinnerung an das Votum der Berliner:innen wachhalten sollten. Auf diese Weise sollte der Druck aufrechterhalten werden. Im Sommer 2022 wurden die KT-Aktivitäten in den durch die AGs ausgearbeiteten Rahmenplan einer sogenannten „Kiezteam-Tournee“ eingefasst: Im Verlauf eines Jahres, bis zum Erscheinen des Abschlussberichts der Expert:innenkommission, übernahm jedes KT je einen Monat Verantwortung für die Durchführung einer Aktion in seinem Bezirk, bei der aktuelle stadtpolitische Kämpfe mit der Forderung nach Vergesellschaftung verknüpft werden sollten. Im Verlauf der Tournee machten die KT einen weiteren Schritt dahin, zu individuellen stadtpolitischen Gruppen zu werden: Bei der Formatauswahl, Koordinierung und Durchführung der Aktionen sowie bei der Kooperation mit Bündnispartner:innen aus der Nachbarschaft hatten sie quasi freie Hand. Außerdem ließ die „Betreuung“ durch die AGs nach, sodass die KT im Sommer 2023 als gänzlich selbstorganisierte Basisgruppen aus diesem Aktionszyklus hervorgingen. Dennoch blieb und bleibt ihr gegenseitiger Bezug und Austausch im KTR, den sie seit Frühling 2023 ebenfalls selbständig organisieren, trotz aller lokalen Unterschiede bestehen. Auch den gemeinsamen Kampagnenzielen und Beschlüssen auf dem Gesamtplenum bleiben die KT natürlich weiterhin verpflichtet.
DWE lässt sich etwa seit Mitte 2023 unter zwei Aspekten betrachten: unter dem Aspekt der eingangs erwähnten Doppelstruktur von AGs und KT als zielgerichteter Vergesellschaftungskampagne und unter dem Aspekt der daraus hervorgegangenen selbstorganisierten KT-Struktur als „föderaler“ stadtpolitischer Großinitiative mit stadtweitem Aktivitätsradius.
Autor
Konstantin Sergiou ist organisiert im KT Kreuzberg von DWE.
Weiterlesen
Zu Rolle, Praxis und Zielen der AG Starthilfe zu Beginn und im Verlauf der Sammel und Wahlkampfphase sowie zum Verhältnis von Haustürgesprächen und Unterschriftensammeln bzw. Wahlkampf: Kunkel, Kalle (2022): Was hat »Deutsche Wohnen & Co enteignen« zu dem gemacht, was es ist? Eine Auswertung von Licht und Schatten einer breiten gesellschaftlichen Kampagne (Zeitschrift sub\urban)
Zur Situation und strategischen Ausrichtung von DWE im Jahr 2022 siehe auch: Kunkel, Kalle (2022): Wo steht Deutsche Wohnen & Co enteignen ein Jahr nach dem Volksentscheid? (Analyse & Kritik)
Titelbild
Immer noch aktiv und motiviert: Das Kiezteam Pankow von DWE bei einer Aktion zum dritten Jahrestag des gewonnenen Volksentscheids.