Wie der Handel mit Boden und Immobilien die Mietpreise in Berlin steigert
Grischan Glänzel
Warum steigen die Mieten in Berlin unaufhaltsam? Und was hilft dagegen? Die Wette auf hohe Mieten verschaffte den Immobilienkonzernen in den letzten Jahren hohe Gewinne. Dass der Wert des städtischen Bodens immer weiter steigt, liegt jedoch nicht an den Konzernen. Sie profitieren von leistungslosem Gewinn. Denn Stadtplanung und umgebende Bebauung sind die entscheidenden Faktoren für die Wertsteigerung. Die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« (DWE) will dies mit Vergesellschaftung verhindern. Die Berliner Landesregierung ignoriert den im erfolgreichen Volksbegehren artikulierten Mehrheitswillen der Berliner:innen bisher. Doch damit will sich die Initiative nicht zufriedengeben.
Die Entwicklung der Mietpreise in Berlin in den letzten 11 Jahren zeigt einen besorgniserregenden Trend: Die Angebotsmieten stiegen in diesem Zeitraum um über 200 Prozent. Diese Entwicklung steht im engen Zusammenhang mit der Steigerung der Immobilienpreise in der Hauptstadt. Um die Hintergründe zu verstehen ist es notwendig, einen umfassenden Blick auf den Immobilienmarkt und die Mechanismen zu werfen, die zu überhöhten Mieten führen.
Mietpreisentwicklung in Berlin: Ein besorgniserregender Anstieg
Der Immobilienmarkt basiert genauso wie alle anderen privatwirtschaftlichen Märkte grundsätzlich darauf, dass durch Geschäftstätigkeit ein Profit erwirtschaftet werden soll. Wie auch in anderen Bereichen nimmt der Einfluss des Finanzkapitalismus immer weiter zu: Es drängen sich zunehmend mehr Investor:innen und Anleger:innen auf den Immobilienmarkt, oft auch in Form von Immobilienfonds. Dadurch nimmt der Verwertungsdruck weiter zu. Es wird für diese Akteure immer wichtiger, auch kurzfristig eine hohe Rendite zu erwirtschaften.
„DER FOKUS AUF AKTIONÄRSINTERESSEN UND DAS WETTEN AUF MIETSTEIGERUNG FÜHRT ZU EINEM TEUFELSKREIS, IN DEM DIE MIETEN REGELMÄSSIG STEIGEN.“
Ob sich ein Investment lohnt, hängt bei Mietshäusern vor allem davon ab, welche Mieten verlangt werden können. Dabei wird, wie auch bei Aktieninvestments, darauf spekuliert, was die Zukunft bringt. Bei Mietimmobilien bedeutet das eine Spekulation darauf, welcher Mietpreis in Zukunft erhoben werden kann.
Oft werden vermietete Immobilien auf Pump gekauft, was bedeutet, dass Unternehmen Kredite aufnehmen, um in den Besitz von Immobilien zu gelangen. Nachdem sie den Kaufpreis bezahlt haben, sehen sich die Unternehmen gezwungen, die Mieten zu erhöhen, um ihre Kredite zu decken und die Gewinne zu erzielen, die sie ihren Aktionären versprochen haben. Dieser Fokus auf Aktionärsinteressen und das Wetten auf Mietsteigerung führt zu einem Teufelskreis, in dem Mieten regelmäßig steigen, ohne dass dies mit Modernisierung der Häuser in Verbindung steht oder die Lebensqualität der Mieterinnen und Mieter verbessert wird.
Hinzu kommt, dass nicht nur auf höhere Mieten spekuliert wird, sondern auch auf eine Steigerung des Grundstückswertes selbst. Denn durch steigende Grundstückswerte erhöht sich auch der Bilanzwert der Unternehmen. Diese sind so mehr wert, können entsprechend mehr Kredite aufnehmen und noch mehr Wohnungen kaufen. Ein ewiger Aufwärtstrend – bis zu dem Punkt, an dem Mieten unbezahlbar werden und Verdrängung immer gravierendere Ausmaße annimmt.
Doch wir wollen noch einmal einen genaueren Blick auf das Anlageobjekt werfen und erläutern, warum der Immobilienmarkt hier in mehrfacher Hinsicht besondere Probleme verursacht.
Boden bringt Rendite
Anders als etwa auf dem Markt für Smartphones, wird bei Anlagen im Immobilienmarkt nicht auf die Geschäftsidee gewettet, sondern auf das Objekt selbst. Es ist dabei eher unbedeutend, ob jemand besonders gute Häuser baut oder besonders zufriedene Mieter:innen hat. Warum ist dies so?
Wohnraum eignet sich sehr gut als direktes Anlageobjekt, weil er deutlich länger hält als Smartphones. Der Grund und Boden, auf dem der Wohnraum steht, hält sogar „unendlich“ lang.
Boden ist dabei eine begrenzte Ressource. Ein höheres Angebot an Boden kann nicht erzeugt werden. Auch kann Boden nicht substituiert werden, es kann nicht, wie beispielsweise bei einem Auto, stattdessen auch der ÖPNV genutzt werden. Die Nachfrage nach Boden steigt in einer wachstumsorientierten Wirtschaft ständig; bei höherer Nachfrage steigt also automatisch der Preis.
„ES SIND NICHT DIE BAUKOSTEN, DIE IN URBANEN RÄUMEN DIE GRÖSSTE PREISSTEIGERUNG VERURSACHT HABEN: ES IST DER BODEN IN INNENSTADTLAGEN.“
Boden und die darauf erbauten Immobilien sind dazu im wahrsten Wortsinn immobile, unbewegliche, unverrückbare Güter. Gibt es also zum Beispiel in einem Stadtviertel eine lokale Knappheit, kann diese nicht durch ein allgemein höheres Angebot oder ein Angebot in einem anderen Viertel ausgeglichen werden. Der Wert einer Immobilie ergibt sich aus ihrer Lage. Und das, was die konkrete urbane Lage so attraktiv macht, ist in 99 Prozent der Fälle die von anderen Akteuren beeinflusste Bebauung. Dadurch entsteht ein leistungsloser Gewinn für die Eigentümer:innen, die sogenannte Grundrente.
Es sind eben nicht, wie oft behauptet, die Baukosten, die in urbanen Räumen die größte Preissteigerung im Immobiliensegment verursacht haben. Diese stiegen in Berlin in den 2010er Jahren um rund 30 Prozent. Es ist der Boden in Innenstadtlagen, der zum Beispiel im Berliner Bergmannkiez in der gleichen Zeit um 1.000 Prozent stieg.
Privatisierte Gewinne, sozialisierte Ausgaben
Die Akteure, die jene umfassende Bebauung maßgeblich beeinflussen, sind staatlich. Ohne Erschließung, ohne umgebende öffentliche Infrastruktur, wie Schulen und kulturelle Einrichtungen, ist ein Ort deutlich weniger attraktiv. Mehr noch: Durch die Stadt- und Regionalplanung wird der Wert eines Grundstücks direkt und am stärksten beeinflusst. Ein Grundstück in Kreuzberg, das laut Bebauungsplan mit einem Mietshaus bebaut werden darf, hat einen um 10.000 Prozent höheren Bodenrichtwert als eine Sportfläche. Eine Eigentümerin, deren innerstädtische Sportfläche in Bauland umgewandelt werden würde, hätte also innerhalb eines Tages ein Wertzuwachs von 10.000 Prozent.
Fast aller Wert des Bodens entsteht aus Verwaltungshandeln, Knappheit und umgebender Bebauung. Warum sollten die Gewinne daraus privatisiert werden dürfen?
Zusätzlich führt die Trennung von Stadtplanung und Eigentum am Boden zu massiven ökologischen Zielkonflikten. Ähnlich wie bei der Mietpreissteigerung entsteht auch hier durch den Bodenerwerb ein Lock-In-Effekt. Sobald der Preis für Bauland gezahlt ist, können legitime Umweltschutzauflagen vor allem für kleinere Eigentümer existenzbedrohend werden. Sie „müssen“ dann bauen.
Ökonomischer Anreiz ohne Lenkungswirkung
Ökonom:innen argumentieren an dieser Stelle gerne mit der Lenkungswirkung der Preise: Schließlich werde doch mit hohen Preisen die Information transportiert, dass sich hier der Kapitaleinsatz lohne und damit ein Anreiz dafür geschaffen werde, dass bessere Artikel, die beste Idee oder die beste Geschäftsorganisation produziert werden.
„DER HANDEL MIT BODEN IST KONTRAPRODUKTIV. DADURCH, DASS SICH DER WERT OHNE EIGENES ZUTUN VERMEHRT, ENTSTEHT DER ANREIZ, DEN BODEN UND DIE DARAUF STEHENDEN GEBÄUDE VERFALLEN ZU LASSEN.“
Doch im Fall des Bodens ergibt sich der Wertzuwachs nicht aus dem Handeln der Investoren. Das Kapital, das zum Kauf von Boden aufgewandt wird, führt auch nicht zu besseren Produkten. Denn der Boden selbst ist völlig vom menschlichen Zutun unabhängig. Es bedarf auch keiner guten Idee, dass man den Boden nutzt. Dass mit dem Boden Rendite gemacht werden kann/darf, bringt also die Wirtschaft überhaupt kein bisschen voran. Keine Innovation, kein Wachstum, keine Entwicklung.
Stattdessen ist der Handel mit Boden kontraproduktiv. Dadurch, dass sich der Wert völlig ohne eigenes Zutun vermehrt, entsteht der Anreiz, den Boden und die darauf stehenden Gebäude verfallen zu lassen. Weil sich so mit Einsatz weniger Mittel viel Profit erwirtschaften lässt.
Die Notwendigkeit der Vergesellschaftung für bezahlbare Mieten
Angesichts dieser Zusammenhänge sollte die Frage nach der Vergesellschaftung von Immobilien obligatorisch sein. Nur Vergesellschaftung kann den Teufelskreis der Mietpreiserhöhungen nachhaltig durchbrechen, indem sie den Verwertungsdruck, der sonst auf den Immobilien lastet, dauerhaft rausnimmt. Nur Boden in öffentlicher Hand ermöglicht eine Stadt- und Regionalplanung ohne leistungslose Gewinne für Privatunternehmen. Nur vergesellschafteter Boden verhindert die kontraproduktiven Anreize zur Spekulation mit Immobilien.
Durch Vergesellschaftung könnten Mieten so gestaltet werden, dass sie dem tatsächlich Leistbaren der Mieter:innen entsprechen. Die Einnahmen aus Mieten könnten dazu genutzt werden, Wohnungen zu verbessern, Instandhaltung durchzuführen und die Lebensqualität für alle zu erhöhen. Dies würde nicht nur den sozialen Frieden fördern, sondern auch langfristig zu einer nachhaltigen und gerechten Stadtentwicklung beitragen.
Zu diesem Zweck hat sich die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« gegründet. Sie strebt die Vergesellschaftung aller profitorientierten Berliner Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen an. Ein entsprechendes Gesetz auf Grundlage von Artikel 15 des Grundgesetzes wurde vorgeschlagen. Konkrete Pläne zur Finanzierung der Entschädigung und zur Organisation der Wohnungen als Anstalt des öffentlichen Rechts wurden ebenfalls erarbeitet.
Obwohl der Volksentscheid zugunsten dieses Vorhabens gewonnen wurde und eine Expert:innenkommission die Umsetzbarkeit bestätigt hat, verweigert die aktuelle CDU-SPD-Koalition die Ausarbeitung eines Gesetzes. Doch die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« wird jetzt wieder selbst aktiv – unter dem Motto: „Unser Berlin, unser Zuhause, unser Gesetz!“ beginnt nun ein zweiter Volksbegehrensprozess. Diesmal soll mithilfe der Informationen der Expert:innenkommission selbst ein Gesetz geschrieben werden. Über dieses kann dann in einem neuen Volksentscheid abgestimmt werden. Sollte der Prozess auch diesmal von Erfolg gekrönt sein, könnte die Landesregierung nicht mehr einfach auf Zeit spielen: Das Gesetz wäre dann verbindlich beschlossen. Aktuell ist die Initiative dabei, einen hieb- und stichfesten Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Dies ist nicht trivial und wird noch mindestens bis Sommer 2025 dauern, aber durch die Arbeit der Expert:innenkommission und den Aufbau eigener Expertise ist die Initiative nun dafür bereit.
Autor
Grischan Glänzel ist Diplom Informatiker und seit 2018 bei »Deutsche Wohnen & Co enteignen« aktiv. Kontakt: glanzel@gmx.de
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»Deutsche Wohnen & Co enteignen«: dwenteignen.de
Titelbild
Gründerzeithäuser in Berlin-Kreuzberg | Foto: wikimedia.org