Modellprojekt Rathausblock

Community-Design als Praxis kooperativer Stadtentwicklung?

Stadtpolitische Initiativen fordern eine aktive Mitgestaltung der Stadt ein. Es gibt viele Beispiele, in denen diese Forderungen im Sinne kooperativer Planungsverfahren in Architektur und Städtebau aufgegriffen werden können. Das sind so unterschiedliche Initiativen wie das »Haus der Statistik« in Berlin, die Kampagne »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« oder die »Planbude« in Hamburg.

Die im »Vernetzungstreffen Rathausblock« (VTR) organisierten Initiativen erproben auf einem großen Areal in Berlin-Kreuzberg ein neues kooperatives Entwicklungsverfahren. Gemeinsam mit der Planer*innen-Kooperative »coopdisco« möchte hier die am Rathausblock beteiligte Initiative »Stadt von Unten« diskutieren, wie eine kooperative Gestaltung im Sinne von Community-Design gelingen könnte. Das im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung in den USA entstandene Konzept des Community-Designs wird dabei als eine Ermöglichungsstruktur verstanden, die Menschen dabei unterstützt, ihre Teilhabe an der Gestaltung ihres Umfelds zu realisieren. Denn in der Beschäftigung mit Community-Design geht es darum, die Partizipationsdebatte von einer Angst vor Verhinderung in eine Perspektive der Ermöglichung zu wenden.

Was ist Community-Design?

Community-Design, heute auch häufig als „Public-Interest-Design“ bezeichnet, hat sich in den späten 1960er-Jahren unter Einwirkung der US-Amerikanischen Bürgerrechtsbewegung als eine neue Form der politisch oder sozial engagierten Praxis der Architektur in den Vereinigten Staaten herausgebildet. Stadterneuerungsprojekte, wie sogenanntes „Slumclearing“, oder große Infrastrukturprojekte, wie Stadtautobahnen, zerstörten gewachsene nachbarschaftliche Strukturen und bezahlbaren Wohnraum. Von diesen Entwicklungen waren überproportional Afro-Amerikaner*innen betroffen. Dagegen entwickelte sich vielerorts Widerstand, der durch eine junge Generation von Planer*innen unterstützt wurde. Sie gründeten eine Reihe von „Community Design Centern“, die zunächst oft die Form politischer Initiativen hatten und sich später vermehrt an Hochschulen ansiedelten.

Während der Ansatz der anwaltschaftlichen Planung (1) eher ein repräsentativer Ansatz des „Sprechens für“ ist, vertritt ein politisch engagiertes Community-Design heute verstärkt eine Position eines „Planens mit“,(2) die auch hier vertreten werden soll. So steht weniger eine Idee des „Helfens“ im Mittelpunkt, sondern das Ernstnehmen von Betroffenen als Akteur*innen sowie ein Praxisverständnis, das deren Wissen und Erfahrung als Teil der Problemlösung mit einschließt.

Und heute? Planung im »Modellprojekt Rathausblock«

Der politische Druck von Initiativen hat erreicht, das ein 4,5 ha großes, ehemals bundeseigenes Gelände im Kreuzberger Rathausblock nicht privatisiert wurde und nun zu 100 Prozent bezahlbar, gemeinwohlorientiert und unter Einbeziehung der Betroffenen entwickelt werden soll. Das »VTR« fordert hier eine „Stadtentwicklung mit Vielen“. Während diese Forderung über die Etablierung kooperativer Entscheidungsgremien und mithilfe einer Kooperationsvereinbarung punktuell umgesetzt werden konnte, stellt sich die Frage, welche Rolle hier die städtebauliche Gestaltung einnimmt.

Im Modellprojekt findet Planung bislang über Gestaltungswettbewerbe statt, in die die Zivilgesellschaft durch Formate der Mitentscheidung eingebunden wird (zum Beispiel durch Sitz in der Wettbewerbsjury). Es blieb bislang wenig Raum, darüber nachzudenken, wie „kooperative Planung“ in Bezug auf den Städtebau aussehen könnte.

Community-based Design als kooperative Gestaltungspraxis?

Methoden, Fragestellungen und Aufgaben des Community-Designs umfassen ein weites Feld von planerischen und gestalterischen Tätigkeiten und richten den Blick auf das „Wie?“ und das „Mit wem?“. Wesentliche Prinzipien des Community-Designs betreffen in diesem Sinne das Verhältnis von Auftraggeber*innenschaft und Gestalter*innen. Community-based Design sucht die direkte Zusammenarbeit mit bestehenden oder zukünftigen Nutzer*innen und hat ein Verständnis für Machtverhältnisse und Konflikte in der Gestaltung der gebauten Umwelt. Und mit dem Anspruch, diejenigen zu unterstützen, deren Bedürfnisse vom Markt oder öffentlicher Planung nicht berücksichtigt werden.

Es gibt keine direkte Übersetzung des Begriffs „Community“ ins Deutsche. Er kann am ehesten als Interessengemeinschaft oder auch als Nachbarschaft übersetzt werden. In diesem Verständnis sind Communities nicht naturgegeben und nicht unbedingt geografisch gefasst. Eine Community entsteht immer dann, wenn aktiv Kommunikationsstrukturen aufgebaut werden, beispielsweise durch Selbstorganisation oder durch aktive Unterstützung von außen – sogenanntes „Community Organizing“. Ob so oder so, Communities schließen sich zusammen, um Strukturen gegenseitiger Unterstützung aufzubauen und sich für gemeinsame Belange einzusetzen. In der Stadtentwicklung geht es dann häufig um den Zugang zu und die Verfügung über nachbarschaftlichen Raum.

Wesentlich für die Frage, ob von Community-Design gesprochen werden kann, ist, wer ein Projekt initiiert, sowie anschließend maßgeblich „steuert“. Communities schlüpfen damit in die Rolle der Auftraggeber*in. Um diese Bedingungen zu erfüllen, braucht es neben entsprechend gesinnten Gestalter*innen, Planer*innen und Architekt*innen, auch Träger*innen, die Projekte im Sinne der Betroffenen umsetzen können (solange sie das nicht selbst oder zumindest teilweise in Eigenleistung tun können), sogenannte Community Developer*innen.

Community-based Design lässt sich in der Nähe einer architektonischen Haltung verorten, die Architektur von ihrem Gebrauch her denkt. Das bedeutet, dass im Zentrum der räumlichen Gestaltung die Nutzer*innen und deren alltäglichen Bedürfnisse stehen. Für Community-based Designer*innen bedeutet es, sich als Teil eines lernenden Prozesses zu verstehen, in dem sich alle Beteiligten als Expert*innen auf unterschiedlichen Gebieten anerkennen. Durch diese Reformulierung der Designpraxis als kooperatives Design werden die Nutzer*innen zu Teilhaber*innen der räumlichen Gestaltung. Community-based Design geht davon aus, dass die Qualität der Planung zunimmt, je mehr sie die Bedürfnisse und Vorstellungen der Nutzer*innen ernst nimmt.

Community-based Design am Rathausblock

Die Frage, nach der Zusammenstellung der „Community“ ist am Rathausblock nicht leicht zu beantworten. In einem Vernetzungstreffen sind verschiedene Gruppen organisiert: Stadtpolitisch arbeitende Initiativen wie »Stadt von Unten« oder »Upstall«, Nachbarschaftsinitiativen wie »Dragopolis« sowie Initiativen mit einem direkten Nutzungsinteresse, wie die aktuell schon nutzenden Gewerbetreibenden oder potentielle Hausprojektgruppen. Noch ganz offen ist die Frage, wer die Rolle des „Community-Developers“ übernehmen könnte. Keine*r der bislang in den Kooperationsgremien vertretenen Akteur*innen, hat bislang ein solches Selbstverständnis. Als Designer*innen sind eindeutig die Planungsbüros zu identifizieren, die im Werkstattverfahren teilgenommen haben. Aber auch die Zivilgesellschaft bringt sich immer wieder mit Gestaltungsvorschlägen ein. Teilweise sogar mit einem professionellen Hintergrund als Gestalter*innen.

Da das Kooperationsverfahren erst im Rahmen eines klassischen Beteiligungsverfahrens nach Logik der Konsultation erstritten wurde, konnten die Rollen der Akteur*innen in den hier genannten Aufgabenfeldern (Organizing, Development und Design) in Bezug auf deren Community-Ausrichtung bislang nicht ausreichend geklärt werden. Um zu einem wirklichen Modell kooperativer Planung im Sinne des Community-based Designs zu gelangen, müssten die Kooperationspartner*innen ein gemeinsames Verständnis darüber erlangen.

Denn wie bei jedem Planungsprojekt, ist die Qualität des Ergebnisses stark vom Engagement der Auftraggeber*innenschaft abhängig. Eine Aufgabe von Community-based Design wäre deshalb auch, Methoden zu entwickeln, die Communities zur Auftraggeber*innenschaft zu qualifizieren, d.h. Formate zu entwickeln, in denen diese dort abgeholt werden, wo sie stehen – und mit ihren Fähigkeiten und Wissen Wirkungsmacht entfalten können. Im Beispiel der Hamburger »Planbude« ist dies ziemlich gut gelungen. Dort gab es mit der gut organisierten Nachbarschaft einen intensiven Community-Design-Prozess gerade in Bezug auf die Aufgabenstellung, in der nicht nur Nutzungsanforderungen, sondern auch schon räumlich-gestalterische Anforderungen – wie zum Beispiel „eine hohe Eingangsdichte“ – festgehalten wurden.

In diesem Sinne lässt sich fragen, ob ein kooperatives und lernendes Planungsverfahren im Sinne des Community-Designs nicht grundlegend andere Planungsverfahren braucht. Anstatt Wettbewerbsverfahren ins Zentrum der Planung zu stellen, wäre es vorstellbar, einen Prozess und einen Ort zu entwerfen, in dem sich ein aushandelnder Lernprozess verstetigen kann und bereits die Entwicklung der Aufgabenstellungen kooperativ gestaltet wird. Wie solche Orte aussehen könnten, konnten die Initiativen im Rathausblock bereits im Ansatz zeigen. Durch die Umfunktionierung einer Garage zur »Plangarage« konnte ein erster kollektiver Planungsraum vor Ort hergestellt werden. Anlässlich des städtebaulichen Werkstattverfahrens haben sich die Initiativen mit Verve dafür eingesetzt, dass die Auftaktwoche in solch einem kollektiven Planungsraum, einer leerstehenden Industriehalle, stattfinden kann. Hier wurde erlebbar, dass eine Planung von Unten nicht nur andere Verfahren braucht, sondern auch ein anderes Set und Setting. Leider konnte die Aufbruchsstimmung aus der Auftaktwoche – und der inspirierende Austausch vor Ort – nicht verstetigt werden. Wir hoffen, dass diese Erfahrungen in den kommenden Planungsschritten aufgegriffen werden können – und das für die kommenden Schritte die Rollen des Community-Organizings und des Community-Developments geschärft werden können, um so auch weitere Formate des Community-basierten Planens zu entwickeln.


Autorinnen

Stadt von Unten ist eine stadtpolitische Initiative, die sich für eine Stadtentwicklung von Unten, selbstverwaltet und kommunal, 100% bezahlbar und dauerhaft abgesichert, einsetzt. Zusammen mit anderen Initiativen hat »Stadt von Unten« ein Modellprojekt zur gemeinwohlorientieren Stadtentwicklung am Rathausblock angeschoben.
stadtvonunten.de

coopdisco ist eine Kooperative von Architekt*innen, die sich für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung einsetzen. Darunter versteht »coopdisco« Räume, denen die Möglichkeit zur Mitgestaltung durch die Nutzer*innen eingeschrieben ist und die bezahlbar, zugänglich sowie dauerhaft vor Privatisierung und Spekulation geschützt sind. »coopdisco« erarbeitet für das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg derzeit eine Grundlagenermittlung zu Community-based Design.
coop-disco.net


Weiterlesen

Vernetzungstreffen Rathausblock: ▷ rathausblock.org
Netzwerk Immovilien: ▷ netzwerk-immovielien.de
aks Gemeinwohl: ▷ gemeinwohl.berlin
Planners Network: ▷ plannersnetwork.org
Association for Community Design: ▷ communitydesign.org


Anmerkungen

(1) Vgl. Paul A. Davidoff: Anwaltsplanungsprinzip und Pluralismus in der Planung
(2) Um diese Verschiebung zu markieren wird auch der Begriff community-based Design verwendet.


Foto

Momente einer „Planung von unten“ aus der Begleitung des städtebaulichen Werkstattverfahrens in der Adlerhalle im Rathausblock. Foto: © Roberta Burghardt