Petrashof what? Machbarschaft im Petershof!

Ein sozial-ökologisches Modellprojekt in Köln

Dilan A. Erkisi

23 Menschen zwischen zwei und 65 Jahren haben sich zusammengetan, um einem historischen, denkmalgeschützten Vierkanthof im Kölner Stadtteil Alt-Müngersdorf, dem Petershof, neues Leben zu schenken. Der Petershof wird von einer Genossenschaft, der Machbarschaft Köln eG, selbstverwaltet, um ein sozial-ökologisches Modellprojekt zu schaffen.

Der Petershof mit seinem charakteristischen Ziegelsteingemäuer und seinem beeindruckenden, teils unter Naturdenkmalschutz stehenden Baumbestand hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Im Jahr 1896 erbaut wurde er nur kurze Zeit als landwirtschaftlicher Betrieb genutzt und schon 1926 von der Stadt Köln erworben. In den Wohnhäusern wohnten Honoratioren der Stadt Köln, während die Stallungen leer standen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde ein Teil der Wirtschaftsgebäude von einer Reitergruppe der Hitlerjugend genutzt, worauf jetzt angebrachte Mahntafeln hinweisen. Nach dem Krieg wurde aus dem ehemaligen „Herrenhaus“ ein städtischer Kindergarten und -hort, während die Wirtschaftsgebäude von der Schlosserei des Grünflächenamts genutzt wurden, die 2007 auszog. Im Jahr 2015 schloss dann auch die beliebte Kita, die Teile des Hofs lange Jahre belebt hatte. Seitdem stand der Petershof leer. Im Jahr 2018 wurde auf Anregung des Bürgervereins Müngersdorf hin eine Ideenschmiede1 durchgeführt und daran anschließend ein Konzeptvergabeverfahren in Gang gesetzt, in dem der Petershof in Erbbaurecht für 99 Jahre vergeben werden sollte. Die Projektgruppe Machbarschaft Petershof konnte dieses Verfahren für sich entscheiden und will nun den Hof als Genossenschaft wieder zu einem lebendigen Ort machen.

Klar ist: Der Bestand soll erhalten bleiben. Er soll aber auch wieder eine Funktion für Müngersdorf bekommen. Auf über 3.000 Quadratmeter Gebäudefläche entstehen bezahlbarer gemeinschaftlicher Wohnraum für ca. 35 Personen, eine vierzügige Kita, eine offene Werkstatt, ein Café, Beratungs- und Büroräume, Ateliers und vieles mehr für ein aktives Gemeinschaftsleben. Für alle Nutzungsbereiche und bei jedem Planungsaspekt werden die sozialen und ökologischen Herausforderungen dieser Zeit mitgedacht und in ein tragfähiges und nachhaltiges Gesamtkonzept eingeordnet – schon bei der Sanierung wird auf Klimaverträglichkeit geachtet. Zum Modellprojekt gehört auch ein nachhaltiges Mobilitätskonzept, das private Autos weitestgehend überflüssig machen soll, sowie ein ressourcenschonendes Wasser- und Energiekonzept. Die Gruppe Machbarschaft entstand auf Grundlage der Ergebnisse aus der Ideenschmiede, an der insbesondere Anwohner*innen aus Müngersdorf teilnahmen. Entsprechend wird der Petershof als Treffpunkt der Nachbarschaft entwickelt, der Handwerk, Kultur, Kunst, nachhaltiges Gewerbe und gemeinschaftliches Wohnen zusammenbringt – und zwar für Erwachsene ebenso wie für Kinder.

Gemeinschaftliches Wohnen und white privilege?

Zu betonen ist, dass der Petershof ein gemeinwohlorientiertes Projekt mit verschiedenen Bereichen ist und der Fokus nicht nur auf dem Wohnraum liegt. Der Hof soll vor allem ein Lebensort sein, mit jeder Menge Platz für Initiativen, Kunst, Politik und Kultur. Da jedoch auch Wohnraum – und vor allem: bezahlbarer Wohnraum, der kollektive Lebensformen über die Kernfamilie hinaus ermöglicht – ein viel zu knappes Gut ist, liegt eben auch darauf ein Schwerpunkt des Projekts.

Mit innovativen Wohnformen werden zukunftsfähige Alternativen zur bestehenden Wohnstruktur in Köln entstehen. Es wird Platz für ca. 35 Menschen geschaffen, die in barrierefreien bzw. barrierearmen, Mehrgenerationen- oder Cluster-Familien-Wohnungen miteinander leben.

Die Cluster-Wohnform steht dabei im Vordergrund, da sie Bezugsgruppen in kleinen Wohneinheiten einen Rückzugsort bietet und gleichzeitig in großzügigen Gemeinschaftsbereichen einen geteilten Alltag, geteilte Carearbeit, geteilte Geräte und Ressourcen ermöglicht. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen im Petershof entstehen in allen Wohneinheiten einerseits Rückzugsmöglichkeiten, und andererseits auch direkte Zugänge zu den Gemeinschaftsräumen und -gärten. Der Petershof möchte Menschen willkommen heißen, die auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert werden: Menschen mit Wohnberechtigungsschein, Behinderung, (kleiner) Rente oder die als BIPoC/migrantisiert gelesen werden.

Dass die Projektgruppe das Konzeptvergabeverfahren gewonnen hat, hat einiges mit „white privilege“ zu tun.

Und dabei gilt es, ehrlich zu sein: Dass die Projektgruppe das Konzeptvergabeverfahren gewonnen hat, hat einiges mit „white privilege“ zu tun. Wir sind bislang eine überwiegend weiße und akademische Gruppe, die einiges an Ressourcen in den Planungsprozess stecken konnte. Damit wollen wir einen Umgang finden, indem wir einen Teil des Wohnraums für eine Gruppe bereitstellen, die es auf dem Wohnungsmarkt weniger leicht hat, als viele Menschen aus der jetzigen Projektgruppe.

Wer schafft hier Wohnraum für wen?

Der Altersdurchschnitt der Machbarschaft liegt in den 30ern. Einige von uns wohnen bereits in größeren Wohnprojekten oder WGs zusammen. Dabei bleibt jedoch unklar, in welchen Konstellationen die Mitglieder in fünf Jahren wohnen werden. Die individuellen Pläne können sich je nach Lebenslage ändern, weshalb flexible Wohnungen entstehen sollen, die, je nach Lebenslage, den Bedürfnissen der Bewohnenden angepasst werden können.

Neben der Unsicherheit, wer von den aktuellen Mitgliedern in welchen Konstellationen in Zukunft hier leben wird, ist die Machbarschaft auf der Suche nach einer zweiten Wohngruppe, die Interesse an gemeinschaftlichen Wohnformen hat, aber anders als die bisherigen Mitglieder auf weniger Privilegien bei der Suche nach Wohnraum zurückgreifen kann. Wer das genau sein wird, ist bislang komplett offen: Eine Großfamilie? Eine Gruppe queerer Refugees? Eine Gruppe Alleinerziehender mit Kindern? Darüber hinaus sucht die Projektgruppe immer nach Mitstreiter:innen.

Die Verantwortung der Kommune

Die Stadt Köln hat sich dazu entschlossen, zunehmend Wohngrundstücke an Kölner Einwohner:innen in Form eines Erbbauvertrages zu vergeben, statt der Spekulation auf dem freien Immobilienmarkt zu überlassen. Voraussetzung für eine Vergabe ist die Sicherung von mindestens 30 Prozent geförderten und mindestens 20 Prozent preisgedämpftem Wohnungsgeschossbau. Die Kaltmiete in den freifinanzierten Wohnbereichen soll wiederum nur die notwendigen Kosten decken und keine Spekulationsgewinne erzeugen.

Die Stadt Köln würde gerne den eigenen Errungenschaften applaudieren, die sie zum Wohle ihrer Einwohner:innen getan hat. Doch umso wichtiger ist es nun, mehr bezahlbaren und gemeinschaftlichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Wie bereits erwähnt, besteht der Petershof aus einer engagierten Gruppe mit breitem Wissen, um das Projekt mit all seinen Facetten voranzutreiben. Dennoch fehlen Erfahrungswerte, um ein so großes Grundstück zu entwickeln bzw. finanziell zu tragen. So kommt es, dass die Menschen vom Petershof sich nicht nur in diverse Themen einlesen, sondern auch ihr Netzwerk mit ähnlichen Projekten erweitern oder ins bilaterale Gespräch mit Fachplanenden gehen.

Aber um derartige gemeinwohlorientierte Projekte verwirklichen zu können, ist mehr gefragt, als nur die Überlassung von städtischen Grundstücken und Gebäuden mit einem enormen Sanierungsbedarf. Hier muss sich die Stadt ihrer Verantwortung stellen und durch eine weitergehende Förderung die Realisierung sichern. Dies hat sowohl eine soziale als auch eine ökologische Bedeutung für die ganze Stadt, weil diese Projekte eine Signalwirkung dafür haben, wie weitere soziale Segregation verhindert, klimaneutral gebaut und die dringend anstehende Verkehrswende gelingen kann.

Um diesen Prozess voranzubringen und uns bei Politik und Verwaltung Gehör zu verschaffen, haben wir uns mit anderen Initiativen und Projekten in Köln zusammengetan, die mit der Stadt um die Bedingungen der Überlassung von Grundstücken in Erbbaupacht zu gemeinwohlorientierten Zwecken ringen müssen.

Solidargenoss:innen gesucht – Eure Unterstützung ist gefragt!

Der Petershof setzt auf eine solidarische Finanzierung, um die finanzielle Belastung des Aufbaus eines solchen Ortes auf möglichst vielen Schultern zu verteilen. Dazu wurde eine Genossenschaft gegründet, um unabhängig von individuellen Vermögenssituationen bezahlbare Mieträume zu ermöglichen. Da der Petershof selbstverwaltet sein soll, werden alle Mieter:innen aktive Genoss:innen sein. Darüber hinaus suchen wir jedoch nach Personen, die die Idee gut finden und etwas Geld in einem sozialen und nachhaltigen Projekt anlegen möchten. Das ist als Solidargenoss:in möglich, indem man Anteile an der Genossenschaft zeichnet oder der Genossenschaft einen verzinsten Direktkredit (als Nachrangdarlehen) gibt. Gerade in Krisenzeiten brauchen wir selbstverwaltete Orte ohne Konsumzwang, an denen wir gemeinsam an realen Utopien arbeiten können.

Du kannst dir vorstellen Solidargenoss:in im Petershof zu werden und möchtest weitere Informationen haben? Dann schreib uns eine Mail an unterstuetzen@petershof.org.


Autor

Dilan A. Erkisi ist Teil der ▷ Machbarschaft Köln eG.


Titelbild

Ein Vorbereitungstreffen auf dem Petershof für das Sommerfest im August 2022 | Foto: © Machbarschaft Köln eG


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