Wir so – ihr so

Die stadtpolitische Vorstellungsrunde #6


Vernetzung Süd (Leipzig)

Wer ihr seid in 150 Worten

Im Frühjahr 2018 starteten wir als wohnungspolitische Stadtteilinitiative in Leipzig-Connewitz und -Südvorstadt. Wir möchten Verdrängungsprozessen aktiv begegnen und eine Solidarisierung im Viertel vorantreiben. Ausgangspunkt unserer Gründung waren massive Neubautätigkeiten im Viertel: Über 1000 neue Wohneinheiten allein in Connewitz seit 2016, darunter keine einzige Sozialwohnung. Hinzu kamen im Viertel gut organisierte Mieter:innengemeinschaften, die gegen ihre Entmietung kämpften und die wir – teilweise bis heute – direkt in ihren Anliegen unterstützen und von denen wir wiederum auch lernen. Wir möchten die Themen Wohnen, Miete, Stadtentwicklung kleinräumig (auf Viertelebene) und kontinuierlich (unabhängig von direkter Betroffenheit und Brisanz) bearbeiten. Dafür dokumentieren wir die Entwicklungen vor Ort, fungieren als Kontakt- und Infostelle sowie Vernetzungs-Plattform für Betroffene. Wir entwickeln Protestformen und versuchen verschiedene Wohnungskämpfe auch zusammenzuführen. Unsere Unterstützung soll zur Selbsthilfe und gegenseitigen Beratung anregen und der allgemeinen Resignation entgegensteuern. Aktuell versuchen wir ein sozial-ökologisches Sanierungsprojekt bei der kommunalen »Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft« (LWB) mit voranzutreiben.

Euer politisches Anliegen in einem einzigen Demo-Slogan zusammengefasst: „Take it back before it’s gone – die Stadt gehört uns all’n!“

Wie würdet ihr eure Praxis verorten zwischen den Polen…

…Abwehrkämpfe führen oder für eigene Visionen streiten?
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Oft solidarische Unterstützung bei der Wohn- und Freiraumverteidigung durch Sichtbarmachung und Protest gegen Mieterhöhung, Entmietung, Aufwertung – was wichtig ist, aber auch ein kräftezehrender Abwehrkampf. Andererseits streiten wir derzeit aber auch für ein Modellprojekt für eine sozial-ökologische Sanierung von 105 kommunalen Wohnungen in der Südvorstadt.
…kreative Aktionsformen oder klassischer Protest?
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Wir probieren vieles aus: Immer wieder Stadtteilspaziergänge, oft auch mit der Foto-Doku-Aktion „Keine Scheiße bauen – Wohnraum für alle“, eine Fahrradtour zum Mietenstoppaktionstag, Ausstellung unserer Foto-Doku, Infostände auf Stadtteilfesten, Kundgebungen vor Häusern oder zum Housing Action Day, Info-, Diskussions- oder Filmveranstaltungen, u.a. mit dem Forschungsprojekt „Wem gehört Connewitz?“ oder zusammen mit dem Mieterrat Neues Kreuzberger Zentrum (Berlin).
…eher mit oder eher gegen die Politik?
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Wir üben scharfe Kritik an Politik und Unternehmen im Rahmen offener Briefe, Flyer, Gespräche und Workshops, andererseits werben wir um Unterstützung bei Politiker:innen im Stadtbezirksbeirat sowie Stadtrat.
…Diskussion oder Aktion?
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Diskussionen vor allem intern, nach außen Aktionsangebote, um ins Gespräch zu kommen.
…fester Kreis oder wachsendes Bündnis?
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Im Moment kleiner fester Kreis mit Wunsch zu wachsen. Darüber hinaus aber auch Bündnisarbeit mit anderen wohnungspolitisch Aktiven in ganz Leipzig.
…solidarische Unterstützung oder politische Organisierung?
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Wir wollen vermitteln, dass (uns) beides wichtig ist. Oft bleibt es auf der Ebene solidarischer Unterstützung von Betroffenen.
…von der Politik einfordern oder Selbermachen?
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Von der lokalen Politik einfordern, was möglich ist, gleichzeitig Menschen durch Information und Bestärkung selbst ermächtigen.
...Realpolitik oder Utopie?
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Wir schauen vor allem nach dem, was der aktuelle Rahmen hergibt und wie wir das auf einen Weg bringen können, der darüber hinaus geht.

Vervollständigt bitte folgenden Satz: „Ein anderer Leipziger Süden ist möglich, wenn… leistbarer Wohnraum erhalten bleibt, Mieter:innen in Sanierungen und Veränderungen einbezogen werden, wenn wir statt teurer Neubaumieten gemeinwohlorientierte Träger-Projekte zum Wohnen und Leben verwirklichen könnten – und natürlich auch erst, wenn weitere Initiativen hier und in anderen Stadtteilen aktiv werden.“

Vernetzung Leipzig Süd


Solidarisch in Gröpelingen (Bremen)

Wer ihr seid in 150 Worten

Die Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Gröpelingen ist aus den Strategiedebatten um eine Neuausrichtung linksradikaler Praxis und neue Klassenpolitik entstanden. Nach der Veröffentlichung der 11 Thesen durch die Gruppe »kollektiv« aus Bremen haben wir 2017 begonnen unter dem Namen Solidarisch in Gröpelingen eine Praxis zu entwickeln, die wir als revolutionäre Stadtteilbasisarbeit bezeichnen. Wir verstehen uns als eine politische Basisorganisation, die drei wesentliche Charaktere beinhaltet: 1. einen gewerkschaftlichen Charakter, das heißt, wir kämpfen für unsere Rechte oder gegen ungerechte Behandlung in den Bereichen Arbeit, Miete, Behörden (Jobcenter, Sozialamt usw.), Aufenthalt etc.; 2. einen sozialen Charakter, das heißt, wir treten für soziale Verbesserungen in unserem alltäglichen Leben ein und für Bildung und Gesundheit für alle. Wir wollen einen Stadtteil ohne Armut, Gewalt und Diskriminierung, das heißt, wir stehen für ein solidarisches Miteinander statt Spaltung. 3. einen politischen Charakter: Es geht darum die Ursachen unserer Probleme zu erkennen und gemeinsam zu verändern. Deshalb ist das langfristige Ziel der Stadtteilgewerkschaft eine grundlegende Gesellschaftsveränderung.

Euer politisches Anliegen in einem einzigen Demo-Slogan zusammengefasst: „Für eine organisierte soziale Bewegung – von unten nach links.“

Wie würdet ihr eure Praxis verorten zwischen den Polen…

…Abwehrkämpfe führen oder für eigene Visionen streiten?
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Die Organisierung geht bei uns von den konkreten Bedürfnisse der Menschen im Stadtteil aus, v.a. der Bedarf an rechtlicher Beratung und Unterstützung im Umgang mit Behörden. Darauf aufbauend führen wir Kämpfe. Die einzelnen Kämpfe sind aber ein Ausgangspunkt für den Aufbau einer organisierten Macht von unten, die gleichzeitig als Keimform und Lernort für eine neue Gesellschaft wirkt und eigene Visionen entwickelt.
…kreative Aktionsformen oder klassischer Protest?
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Wir nutzen beides. Wichtiger ist uns, dass möglichst viele Menschen in Aktionen eingebunden und dadurch empowert werden, anstatt dass die gleichen Aktivist:innen sich immer neue Aktionsformen ausdenken.
…eher mit oder eher gegen die Politik?
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Unser Ziel ist es, ein anderes Verständnis von Politik zu etablieren. Politik nicht als etwas, das andere machen, sondern als etwas, das von uns ausgeht. Um Dinge erkämpfen oder gestalten zu können, brauchen wir aber eine bestimmte Form von Macht. Wir meinen damit nicht die Macht der Herrschenden, sondern den Aufbau von Macht von unten, die auf organisierten Strukturen basiert. Wie werden wir uns nach einem Prozess der Gesellschaftsveränderung von unten regieren? Das können wir nicht beantworten, wenn wir nicht schon heute breite Organisationsformen entwickeln, in denen wir genau das lernen.
…Diskussion oder Aktion?
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Das eine ist vom anderen nicht zu trennen.
…fester Kreis oder wachsendes Bündnis?
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Wir verstehen uns als Basisorganisation, die darauf ausgerichtet ist, zu wachsen und Menschen aus dem Stadtteil zu Aktivist:innen auszubilden. Mittelfristiges Ziel ist der Aufbau einer organisierten Sozialen Bewegung. Viele Leute lernen uns durch die Beratung kennen und werden dann aktiv. Dafür gibt es unterschiedliche Beteiligungsmöglichkeiten, wie Komitees, die Vollversammlung, das Aktiventreffen etc. Außerdem organisieren wir regelmäßig politische Bildungsangebote, um Wissen und Fähigkeiten auf immer mehr Menschen zu verteilen.
…solidarische Unterstützung oder politische Organisierung?
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Wir verbinden Beratung bei Problemen mit Jobcenter, Arbeit, Vermieterin, Aufenthalt etc. mit einer verbindlichen Organisierung und einem Politisierungsprozess. Das passiert über Mitgliedschaft, Versammlungen, Aktionen und politische Bildung. Wir verstehen uns als soziale und politische Organisation.
…von der Politik einfordern oder Selbermachen?
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Durch die Beratung erreichen wir konkrete Verbesserungen, weil die Behörden noch nicht mal rechtsstaatliche Minimalanforderungen erfüllen. Wenn die Beratung nicht weiterhilft, kämpfen wir mit anderen Methoden, wie z.B. Demos, Öffentlichkeitsarbeit etc. Wir brauchen solche Erfolge. Aber wir nutzen sie, um langfristige verbindliche Strukturen aufzubauen und dadurch handlungsfähig zu werden. Umso größer wir werden, umso mehr können wir selber machen.

Vervollständigt bitte folgenden Satz: „Ein anderes Bremen ist möglich, wenn… wir verstehen, dass eine grundlegende emanzipatorische Gesellschaftsveränderung nicht von wenigen Aktivist:innen durchgesetzt werden kann, sondern von einer breiten und organisierten Bewegung von unten. Wenn wir in Bremen und anderswo so eine organisierte Stadtteilbasisbewegung aufbauen, ist es möglich, etwas zu verändern.“

Solidarisch in Gröpelingen


Titelbild

Illustration: © Rainer Midlaszewski


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